Kennst du das auch: Dein Kind ist gesund, du kommst wirklich gut zurecht, alle deine Verwandten und Freunde strahlen dich an und alles ist wirklich schön – nur du fühlst dich echt unwohl? Und zwar, weil deine Gedanken immer wieder auf dein Geburtserleben zurückkommen?
Wenn deine Gedanken immer wieder um die Geburt kreisen und du deutlich spürst, dass es dir dabei nicht gut geht und du irgendwie leidest, ist wahrscheinlich unter der Geburt deines Kindes irgendetwas passiert, was dich überwältigt hat. Du kannst die Gründe nicht wirklich in Worte fassen – aber etwas ist ganz und gar nicht in Ordnung.
Aus Geburt wird Trauma, aus Trauma Angst
Traumatische Ereignisse werden als Betroffene als unvorhersehbare, intensive Bedrohung erlebt. Sie lösen eine intensive Angst aus – und die wird von absoluter Macht- und Hilflosigkeit begleitet. Ein Trauma muss nicht immer mit „großem Getöse“ daherkommen – manchmal reichen „kleine Dinge“ aus. Du fühltest dich vielleicht unverstanden, lagst ständig am CTG – und vielleicht gab es Eingriffe, die (vielleicht) notwendig waren, die sich aber trotzdem übergriffig angefühlt und dir Angst gemacht haben.
Bei solchen Erlebnissen müssen Körper und Seele viel aushalten. Vielleicht hattest du auch keine Gelegenheit, dir alles ausführlich erklären zu lassen. Eingriffe wie ein Dammschnitt, starkes Pressen unter Zeitdruck, der Einsatz von Saugglocke, Zange oder auch die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts – all das sind Eingriffe, deren Gewalt immer einen Schock hinterlassen.
Wenn wir dann unser Kind im Arm haben, können wir diese Schocks leichter abspalten und wegstecken – doch es bleiben immer Narben an Seele und Körper zurück.
Auch mir ist das Thema Geburtstrauma nicht unbekannt
Obwohl es schon viele Jahre her ist, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie das bei mir und meiner Tochter war. Ich hatte einen frühzeitigen Blasensprung in der 33 Schwangerschaftswoche – weit weg von zuhause, mitten in der Nacht! Liegend musste ich mich ins nächste Krankenhaus fahren lassen. Trotzdem ist das passiert, was klassisch nur extrem selten passiert: Die Nabelschnur ist vor das Köpfchen gefallen.
Da ich schon Wehen hatte, während mich die Hebamme untersuchte, schob sie das Köpfchen dann bei jeder Wehe zurück. Während ich mit zwei Anästhesisten diskutierte, weil ich auf jeden Fall eine Rückenmarksanästhesie (PDA) haben wollte, musste ich mit dem Schock fertig werden, dass ich keine normale Geburt haben werde – obwohl ich doch schon gute Wehen hatte. Puh!
Meine Sorge galt meiner Tochter: Ich musste sie sehen – es war doch noch viel zu früh für die Geburt. Ging es ihr gut?
Die Operation war dann die zweite Geschichte, an der ich lange arbeiten musste. Dem kleinen Mädchen ging es gut, ich durfte sie kurz bei mir haben – dann musste sie in den Brutkasten und wir blieben jeweils alleine zurück.
Klar, dass ich mir die Geburt komplett anders vorgestellt hatte. So ein Drama zu verarbeiten dauert lange. Instinktiv habe ich alles richtiggemacht: Ich habe die Versorgung meines Babys übernommen, obwohl ich krasse Schmerzen hatte und habe die Kleine in den ersten Monaten quasi nur getragen.
Woran erkenne ich, dass ich ein Geburtstrauma habe?
Du erkennst ein Geburtstrauma zum Beispiel daran, wenn Gedanken über die Geburt immer wieder auftauchen und du spürst, dass irgendetwas nicht stimmt. Und wenn du nicht so froh und happy sein kannst – obwohl der kleine Schatz in deinen Armen liegt.
Zunächst kannst du deine Gefühle vielleicht gar nicht einordnen – denn du bist viel zu sehr beschäftigt. Es kann sein, dass du dich schämst. Du spürst, dass du versagt hast, nicht stark genug warst. Du hast das Gefühl, es irgendwie nicht richtig gemacht zu haben. Du kommst einfach nicht zur Ruhe. Du hast so viele Gedanken und Ängste. Du machst dir Sorgen, dass etwas mit dem Kind sein könnte, du hast ständig das Gefühl, dass du das alles nicht gut genug machst und als ob noch etwas fehlt. Ich möchte dir jetzt diese große Sorge erklären: Diese Gedanken rühren daher, dass aufgrund deines Erlebnisses immer noch die Gefahr um dich herum spürst, die Unsicherheit, was denn da eigentlich genau passiert oder passiert ist.
Das Schwierige ist, dass sich ja sowieso deine komplette Lebenssituation verändert hat. Plötzlich sitzt du zuhause, hast ein Baby, fühlst dich durch die Geburt noch sehr schwach oder lädiert oder wie auch immer – auf jeden Fall ist das eine zusätzliche körperliche Situation, die du nicht in der Lage warst, vorher zu ahnen. Und auch das schlägt sich in dir nieder. Es ist extrem schwer, die ganzen Gefühle auseinanderzuhalten.
Meistens fällt es deshalb erst später auf, das wirklich etwas nicht stimmt. Nämlich erst dann, wenn man andere Mütter mit ihren Babys sieht und man denkt, dass man völlig anders ist. Nicht, dass die anderen nicht auch ihre Geschichte haben, nein. Dieses Gefühl, sich anders zu fühlen, ist das entscheidende Merkmal.
Wie kann ein Geburtstrauma ausgelöst werden?
Ausschlaggebend ist, wie du die Geburt für dich selbst erlebt hast. Für jede Mutter kann es etwas ganz anderes sein, das zu viel war. Etwas, das sie nicht verkraften konnte. Oder ein Unverständnis dafür, was da genau mit ihr passierte – und warum. Die Art der Geburt (also die Geburtsform) lässt keinen zuverlässigen Rückschluss auf das individuelle Geburtserlebnis zu.
Aber es lässt sich festhalten: Es geht vor allem um den Moment des Kontrollverlustes. Sehr viele Frauen haben mir das bestätigt. Sich ausgeliefert fühlen – zum Beispiel in den Momenten der starken Wehen. Besonders dann, wenn man selber als Baby ein Geburtstrauma erlebt hat. Es können aber auch die Hebammen und Ärzte sein, die dieses Gefühl auslösen, zum Beispiel, wenn etwas schnell gemacht wird, mitunter auch einfach gemacht werden muss, weil es nötig ist.
Oftmals vergessen die Hebammen und vor allem die Ärzte, dass die Frau all das heute zum ersten Mal erlebt und dass sie das Recht hat, vollkommen aufgeklärt zu werden. Dass sie das Recht hat, respektvoll und voller Mitgefühl behandelt zu werden. Denn das formulieren fast alle Frauen: dass sie die Behandlung unter der Geburt als entwürdigend empfanden. Diese Empfindung kann also auch das traumatische Moment auslösen – denn wir müssen uns schützen und ziehen uns deshalb tief ins Innere zurück.
Die Geburt aktiv mitgestalten
Deshalb ist es absolut notwendig, die Geburt aktiv mitgestalten zu können. Es ist naturgegeben, dass eine Geburt umso einfacher ist, je weniger von außen in den Geburtsverlauf eingegriffen wird. Natürlich ist sie dadurch nicht gleichzeitig schneller vorbei – aber oftmals schon.
So viele Frauen erzählen mir, dass die Wehen weggehen oder sehr viel weniger stark und häufig sind, sobald sie in der Klinik ankommen. Unter der Geburt zählt nur noch Rückzug, Vertrauen, Intuition und Hingabe. Alles, was von außen kommt, stört diesen Raum. Wenn es dann doch dazu kommt, dass Unterstützung nötig ist, es sich aber um keinen absoluten Notfall handelt, musst du nicht immer sofort antworten oder entscheiden. Gebe dir einen Moment und höre auf deinen Bauch. Dein Kopf ist in dieser Extremsituation sowieso nicht mehr in der Lage, alleine zu entscheiden – er braucht Unterstützung.
Wie bleibt man im „Ausnahmezustand Geburt“ selbstbestimmt?
Immer wieder höre ich die sehr berechtigte Anmerkung, dass es unter der Geburt kaum möglich sei, noch etwas zu besprechen oder zu hinterfragen – vor allem bei einer fortgeschrittenen Geburt, wenn Wehen heftig sind und wir eigentlich nicht mehr richtig ansprechbar sind.
Manchmal haben wir uns bestimmte Dinge vorgenommen, diese auch der Hebamme oder dem Partner mitgeteilt für den Fall, dass wir selber es nicht mehr schaffen, dafür einzustehen. Das ist auch gut, denn es gibt ja für jeden Dinge, die man gut meistern kann, und anderes, was man weniger gut schafft.
Komplikationen tauchen nicht aus dem Nichts auf, sondern bahnen sich an. Meistens nicht mit Absicht oder mangels Einfühlungsvermögens. Oft liegt es an den Leitlinien der Klinik und auch der Geburtshäuser – wobei bei diesen viel individueller auf die Frauen eingegangen wird. Hier ist die Flexibilität der Kliniken nicht so groß. „Mehr Interventionen und Technik erzielen keine besseren Geburtsergebnisse“, sagt der Deutsche Hebammenverband.
Und Zeit ist in den Kliniken auch ein Fremdwort. Sie sind chronisch unterbesetzt und möchten die Mittel, die sie anwenden können, auch zum Einsatz bringen. Dann wird der werdenden Mutter eine Rückenmarksspritze angeboten, weil die Schmerzen groß sind oder der Muttermund am Ende doch noch einen Moment länger braucht, um sich zu öffnen. Oder es werden Wehen fördernde Mittel eingesetzt, um die Geburt zu beschleunigen, anstatt der Frau eine Pause zu gönnen. Beispiele gibt es hier viele.
Meine Antwort speist sich aus meiner eigenen und der Erfahrung vieler Frauen, die ich kennenlernen durfte: Außer in echten Notfällen hat man meistens mehr in der Hand, als man denkt.
Fazit
Deshalb ist meine Empfehlung nach wie vor: Lass dich in der Schwangerschaft auf diese innere Reise ein, setze dich mit Vertrauen und Intuition auseinander und tue, was dir Freude bereitet. All das hilft dir, innerlich vorbereitet zu sein auf eine Geburt, die so sein wird, wie sie sich entwickeln darf. Sie ist nicht plan- oder vorhersehbar.
Aus dieser Vorgehensweise und der Akzeptanz des Unvorhersehbaren kannst du Kraft und Mut schöpfen – auch wenn nicht alles nach dem Plan verläuft, den dein rationales Gehirn sich ausgedacht hat. Auch unter großen Schmerzen und auch bei schlechten Nachrichten ist es eine wunderbare Hilfe, von dem in der Schwangerschaft gewonnenem Vertrauen zu zehren und sich im Zusammenspiel von Kopf und Bauch zu fragen, was der Situation angemessen erscheint.